2002, lange bevor sie selber Mutter wurde, hat die Fotografin Pamela Rußmann begonnen, schwangere Frauen zu fotografieren. Seitdem porträtiert sie Jahr für Jahr in achtsam vorbereiteten und ausgeführten Fotoshootings eine Vielzahl von Frauen und hat nicht nur ein enorm umfangreiches Bildarchiv aufgebaut, sondern sich durch die Beschäftigung und die vielen Gespräche mit schwangeren Frauen auch inhaltlich intensiv mit den Veränderungen und emotionalen wie seelischen Ebenen auseinandergesetzt.
„Mich hat dieser von Natur aus zeitlich begrenzte Abschnitt Schwangerschaft in einem Frauenleben schon immer fasziniert, weil es zugleich eine innere wie auch eine äußere Veränderung bedeutet und darstellt. Es ist eine Phase, in der sich Frauen sehr konzentriert mit ihrem Körper auseinandersetzen, manche lust- und humorvoll, andere mit Unsicherheiten“, erzählt die Fotografin. „und beim zweiten, dritten oder vierten Kind ist sowieso alles wieder anders.“
Die Schwangerschaft ist jedenfalls eine Zeit, in der von Tag zu Tag sichtbarer wird, dass sich das Leben demnächst erweitern wird, sowohl im Wortsinn wie auch im übertragenen Sinn, und obwohl eine Schwangerschaft rein vom biologischen Prinzip her ja bei jeder Frau gleich abläuft – Kind wächst im Bauch heran – empfindet und erlebt jede Frau diesen Lebensabschnitt anders.
Exklusiv für Salon Mama hat die Fotografin & Journalistin Pamela Rußmann nun eine Reihe konzipiert, in der sie ihre bisherige Arbeit des Fotografierens von schwangeren Frauen um eine Ebene erweitert, nämlich: das Wort.
In unserem ersten Interview treffen wir die 35-jährige Nicole. Eine cinephile Mama-to-be, die Ihren Lebensmittelpunkt in Wien hat.
- Vorname: Nicole
- Alter: 35
- Beruf: Filmkritikerin, Chefredakteurin des Kino-Magazins DOT.
- Wievieltes Kind: eine Premiere
- Wohnort: Wien
- Familienstand: verheiratet
Du bist gerade in der Endphase deiner ersten Schwangerschaft – nur noch wenige Tage, und ein neuer Lebensabschnitt beginnt. Welche Vorstellungen oder Klischees über das Schwangersein sind tatsächlich eingetroffen bisher und welche kannst du ablegen in der Kategorie „Märchenerzählung“?
Übelkeit, Wasser in den Beinen, all das hat sich in meinem Fall glücklicherweise als Märchen entpuppt. Dafür war der Heißhunger entsprechend ausgeprägt vorhanden – fast schon eine Farce. Und auch die Tollpatschigkeit sowie die berühmte Schwangerschaftsdemenz. Der Herausgeber „meines“ Filmmagazins und ich haben irgendwann gescherzt, ob der Mutterschutz eigentlich mich schützen soll oder doch eher ihn vor mir. Ich hoffe, dass es davon kein Äquivalent für die Zeit des Stillens gibt.
Hast du in der Schwangerschaft den Kontakt mit anderen Schwangeren gesucht, um dich auszutauschen über diverse Wehwehchen oder einfach auch um Infos zu diversen Themen zu bekommen?
Eigentlich eher mit Ex-Schwangeren – das hat sich ganz natürlich aus dem Freundeskreis ergeben –, die schon den viel reicheren Erfahrungsschatz hatten. Das hatte außerdem den Vorteil, dass nicht nur Infos weitergereicht wurden, sondern auch Bodys und Strampler.
War deine Mutter (oder andere weibliche Verwandte mit Kinderaufzucht-Erfahrung) als Gesprächspartnerin wichtig? Hast du dir von ihrer Schwangerschaft mit dir erzählen lassen?
Sie war vielleicht weniger als Gesprächspartnerin über die Schwangerschaft per se wichtig als mehr als jemand, der sich wahnsinnig freut. Und dem man ständig Fotos von Bäuchen schicken kann, auch wenn da noch gar nicht viel zu sehen ist, und große Begeisterung retour kommt.
War die Schwangerschaft ein Genuss für dich bis jetzt? Könnte der Zustand noch ewig so weitergehen oder freust du dich schon darauf, deinen Körper wieder für dich allein zu haben?
Es gab zu Beginn viele, viele Komplikationen, die es nahe legten, dass wir uns auf ein Frühchen einstellen sollen. So gesehen bin ich doppelt froh über jeden einzelnen Tag, den der kleine Herr nun noch in meinem Bauch herumplanschen darf, weil ich darauf nicht hoffen konnte, auch wenn er (= inzwischen fast 50 cm groß) mir (= 159 cm groß) langsam etwas viel wird. Ich freue mich also darauf, meinen Körper nicht mehr teilen zu müssen. Und vielleicht wieder ohne Ächzen und Stöhnen in Schuhe schlüpfen zu können. Aber natürlich: Dieses unfassbare Gefühl, die Bewegungen des eigenen Kindes im Körper wahrzunehmen, wird mir natürlich abgehen. Besonders der tägliche Schluckauf, den er gerade hat … Geboxt wurde in letzter Zeit auch viel, wenn ich im Kino war. Vermutlich ist also auch er ganz schön froh, meinen Körper los zu sein, um nicht ständig mit Filmen wie „Underdog“ von Kornél Mundruczó zwangsbeglückt zu werden.
Liest du „Mami-Blogs“ oder Schwangerschafts-Online-Tagebücher?
Zu Beginn einer neuen Schwangerschaftswoche ist die Übersicht, was in der kommenden Woche passieren wird, Pflicht geworden. Sätze wie „Es wiegt jetzt etwa 5 g. Somit hat es die Größe einer kleinen Pflaume und das Gewicht eines Marienkäfers“: reine Poesie. Und ja, Mami-Blogs wurden auch anvisiert. Als große Freundin des Online-Shoppings vor allem die mit Design-Schwerpunkt – über www.ohhhmhhh.de wurde ich beispielsweise an viele schöne Orte weitergereicht.
Wie hast du die Veränderung deines Körpers empfunden – sowohl in ästhetischer Hinsicht als auch in funktioneller; schließlich erledigt dein Körper grad Aufgaben, die er vorher noch nie erledigen musste. Bist du stolz drauf, was der alles kann?
Das Wunder der Natur war bei mir mit vielen Spritzen und Pillen verbunden, man musste meinen Körper also ziemlich manipulieren, um ihn davon zu überzeugen, dass es bestimmt ganz toll ist, schwanger zu sein. Umso erstaunlicher fand ich dann all die Entwicklungen – wo mein Körper „das doch freiwillig niemals getan hätte“. Und dass er „trotzdem wusste“, was er zu tun hat. Nachdem ich also jahrelang darauf gehofft hatte, habe ich die Entwicklungen natürlich recht genau studiert und fand alles wahnsinnig spannend und die Rundungen einzigartig schön. Inzwischen frage ich mich natürlich, wo die viele gedehnte Haut eigentlich hinsoll, wenn mein Körper ab nächster Woche wieder mein alleiniger Eigentum ist.
Hast du bei dir den berühmten Nestbautrieb verspürt? Zu Hause alles „babyproof“ machen, Zeugs anschaffen und horten und putzen usw.?
Ja, aber das hat wohl auch die Treppe in unserer Wohnung angetrieben, Stichwort „Todesfalle Haushalt“. Und die vorhin schon erwähnten Mama-Blogs haben blöderweise auch ständig eingeflüstert, welche hübschen Dinge wir brauchen könnten, von denen mein Mann und ich noch gar nichts wussten. Nächste Woche sollten wir, wenn hoffentlich alles gut geht, einen zusätzlichen Mitbewohner haben – und neben uns ist definitiv auch die Wohnung bereit für ihn.
Gibt es Ängste, was die Zeit nach der Geburt betrifft? Hast du manchmal Panik, dass du das Muttersein nicht „schaffst“? Dass du eventuell überfordert sein könntest?
Ich stelle mir den Moment sehr überfordernd (und gleichzeitig wunderschön) vor, das Krankenhaus zu verlassen und erstmals alleine für dieses kleine, zarte Wesen verantwortlich zu sein. Das macht mir ein bisschen Angst: in Situationen zu geraten – und die werden auf jeden Fall kommen –, in denen ich nicht weiß, was zu tun ist. Ich nehme an, dass meine Mutter spätestens DANN als inhaltliche Gesprächspartnerin herhalten muss. Und zwar ständig. Eine Phobie, und die hat leider auch mein Mann, betrifft Spielplätze: Ich kann mir mich sehr schlecht auf Spielplätzen vorstellen, aber auch das wird kommen. Wobei ich auch da sehr auf meine Mutter hoffe.
Du gründest deine Familie mitten in Wien, bist selber aber in einer eher ländlichen Umgebung groß geworden, sozusagen mit der grünen, saftigen Wiese vor der Tür. Jetzt schon schlechtes Gewissen, weil das Kind nur Beton sieht und schlechte Luft atmet?
Ich bin zwar in Vorarlberg aufgewachsen, allerdings in einer städtischen Umgebung, da empfand ich den Sprung in die größere Stadt nicht als irritierend, sondern habe das vielseitige Angebot immer sehr geschätzt – und auch die Möglichkeit, von Wien aus sehr schnell sehr viel Grün vor der Nase zu haben. Ich nehme an (– ist das naiv?), dass das mit Kind auch so ist. Auch wenn’s leider nicht der Arlberg ist, der um die Ecke ist … Aber natürlich: Meine Kindheit des unbeaufsichtigten Herumstreunens wird für meinen Sohn definitiv nicht möglich sein. Freunde leben uns aber gerade sehr gut vor, wie sie solche Situationen nachstellen und beispielsweise die idyllischsten Sommerszenarien der Welt schaffen – es wird ihm also sicher gut gehen.
Habt ihr euch als werdende Eltern mit dem Thema Kinderbetreuung schon auseinander gesetzt? Wer wie lange zu Hause bleibt, wer ab wann wieder wie viel arbeitet usw.?
Ja, wir wissen schon, welche Art des Kinderbetreuungsgeldes bald bei der SVA angekreuzt wird. Wir sind beide Freiberufler und werden uns und unsere Pflichten besser organisieren müssen. Ich habe auch bisher schon von meinem Heimbüro aus geschrieben, daran wird sich nicht viel ändern – ich hoffe nur, dass das auch mit Nachwuchs gut möglich sein wird. Meine sehr heldenhafte Kollegin, die Chefredakteurin von „Tipi“ und zweifache Mama ist, macht mir da schon auch ziemlich große Hoffnung.
Auf welchen Moment oder welche Situation freust du dich besonders?
Aufwachen und noch zu dritt im Bett rumkugeln. Richtig: Ich gebe mich noch der Utopie hin, dass die Nächte schlafend verbracht werden.
Welche Frage sollte man einer schwangeren Frau nie stellen, wenn man weiterhin mit ihr befreundet bleiben möchte?
Es sind eigentlich nicht die Fragen der Freunde (im Gegenteil: das Interesse an Hugo hat meinen Mann und mich immer sehr gerührt), sondern das Mitteilungsbedürfnis völlig fremder Menschen, das meine Nerven strapaziert hat. Der mit der Zeit unübersehbare Bauch hat mir recht viele Erfahrungsberichte eingebracht, nach denen ich nicht gefragt hätte – faszinierend, aber teilweise befremdlich, wenn man beispielsweise gerade bei einer Ausstellung oder Grillparty ist und dann doch nur auf den Bauch reduziert wird.
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